Executive Summary
Die aktuelle Erhebung der European Data Centre Association (EUDCA) „STATE OF EUROPEAN DATA CENTRES 2025“ belegt: Europas Rechenzentren sind unverzichtbar für digitale Wertschöpfung, KI-Entwicklung und technologische Eigenständigkeit. Bis 2030 werden Investitionen von über 100 Milliarden Euro erwartet, allein Colocation-Rechenzentren sollen mehr als 80 Milliarden Euro zum europäischen Bruttoinlandsprodukt beitragen. Gleichzeitig wächst der Strombedarf um jährlich 15 %, während Netzengpässe, Fachkräftemangel und regulatorische Anforderungen den Ausbau bremsen. Der Trend zu Hyperscale- und Edge-Infrastrukturen, mehr Energiepartnerschaften sowie nachhaltige Technologien wie Flüssigkühlung und Abwärmenutzung sollen helfen, Wachstum und Klimaziele in Einklang zu bringen. Die Branche betont ihre Rolle als Rückgrat der europäischen digitalen Souveränität — und fordert stabile Rahmenbedingungen für eine sichere, effiziente und nachhaltige Infrastruktur.
Milliarden für Europas digitale Infrastruktur

Der Bedarf an Rechenzentrumsfläche steigt rasant. Bis 2030 sollen laut EUDCA-Prognose insgesamt über 100 Milliarden Euro in neue Kapazitäten investiert werden. Besonders Colocation-Rechenzentren tragen dabei erheblich zur volkswirtschaftlichen Leistung bei: Sie erwirtschafteten 2023 rund 30 Milliarden Euro, für 2030 werden über 80 Milliarden Euro erwartet. Die Ausweitung erfolgt, weil Künstliche Intelligenz (KI), High-Performance-Computing (HPC) und Cloud-Services immer größere Rechenleistung und Datenspeicherung erfordern – und damit die Nachfrage nach modernen, skalierbaren Infrastrukturen deutlich über das bisherige Angebot hinauswächst.
Neben den etablierten Metropolregionen Frankfurt, London, Amsterdam, Paris und Dublin (FLAPD) gewinnen alternative Standorte an Bedeutung. So entstehen zunehmend neue Hubs in Skandinavien und Südeuropa, etwa in Spanien, Portugal oder Italien, die mit günstigen Energiepreisen, einem kühlen Klima und verfügbarer Fläche punkten. Auch Städte wie Barcelona, Rom und Athen entwickeln sich laut EUDCA zu dynamischen Knotenpunkten. Parallel wandert ein Teil der Nachfrage von Primärmärkten wie FLAPD hin zu Sekundärstandorten wie Warschau, Mailand oder Berlin, um Netzengpässe zu umgehen.
Energiebedarf steigt – Versorgungsengpässe bremsen den Ausbau
Mit dem rasanten Marktwachstum steigt auch der Strombedarf. Der Bericht kalkuliert für Europa eine durchschnittliche jährliche Nachfragesteigerung um etwa 15 % bis 2030. Für einige Märkte wird schon jetzt mit Wartezeiten von bis zu zehn Jahren für neue Netzanschlüsse gerechnet. In Ballungsräumen wie Frankfurt oder Dublin sind die verfügbaren Kapazitäten so knapp, dass Betreiber ihre Planungen zunehmend in periphere Lagen oder neue Regionen verlagern.
Mehr als drei Viertel der befragten Betreiber sehen die Energieversorgung als zentrale Hürde der kommenden Jahre. Dieser Engpass verstärkt sich durch wachsende Stromkosten und langwierige Genehmigungsprozesse. Hinzu kommt, dass der Ausbau der Netzinfrastruktur oft nicht mit der Geschwindigkeit des Marktwachstums Schritt halten kann. Für manche Standorte ergibt sich daraus ein entscheidender Nachteil gegenüber den USA, wo allein der jährliche Zuwachs an Rechenzentrumsfläche in Regionen wie Virginia der gesamten Neubauleistung Europas entspricht.
Rechenzentren als aktive Partner der Energiewende
Der EUDCA-Bericht zeigt aber auch: Betreiber stellen sich zunehmend als flexible Akteure im Energiesystem auf. Rund 28 % der Betreiber erzeugen bereits vor Ort eigene Energie aus regenerativen Quellen, während 41 % solche Projekte planen. Gleichzeitig setzen immer mehr Anbieter Batteriespeicher ein und erweitern ihre Rolle als Netzpartner um sogenannte Demand Response-Dienste, mit denen sie Stromnetze bei Lastspitzen entlasten. Aktuell stellen fast 22 % der Betreiber solche Netzstabilisierungsdienste bereit, in zwei Jahren soll der Anteil auf 59 % steigen.
Technisch wird auch die Abwärme-Rückgewinnung wichtiger: Derzeit koppeln etwa 50 % der Rechenzentren überschüssige Wärme aus, weitere 38 % planen dies. Parallel sinkt der Wasserverbrauch pro Kilowattstunde: Mit einem Durchschnittswert von 0,31 l pro kWh liegen viele Standorte deutlich unter dem Zielwert des Climate Neutral Data Centre Pact für wasserarme Regionen. Neue Kühltechnologien wie Flüssigkühlung werden dabei zunehmend zum Standard, um den hohen Energiebedarf moderner Server effizienter zu steuern.
Hyperscaler und Edge-Computing treiben die Expansion
Der massive Bedarf an neuen Rechenzentren wird nicht nur durch Unternehmen getrieben, die bestehende Serverräume auslagern, sondern vor allem durch globale Hyperscale-Anbieter wie Cloud- und KI-Plattformen. Diese treiben die Nachfrage nach großflächigen, modular erweiterbaren Anlagen, die oft mehrere hundert Megawatt umfassen. Gleichzeitig führt der Durchbruch von KI und IoT dazu, dass Datenverarbeitung vermehrt an den Rand des Netzes rückt. Edge-Computing-Standorte ergänzen daher Hyperscale– und Colocation-Zentren, um Daten möglichst nah am Endnutzer zu verarbeiten und Latenzen zu minimieren.
Fachkräftemangel und regulatorischer Aufwand als zusätzliche Hürden
Neben Energiefragen hemmt auch der Mangel an spezialisierten Fachkräften das Wachstum. Laut Umfrage sehen über die Hälfte der Betreiber zu wenig spezifische Studien- und Ausbildungsangebote für Rechenzentren als Problem. Zugleich steigen die Anforderungen an Nachweispflichten: Mit Inkrafttreten der europäischen Energieeffizienzrichtlinie (EED) sind Betreiber verpflichtet, Kennzahlen zu Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Abwärmenutzung regelmäßig zu melden. Mehr als ein Drittel der Unternehmen wertet diese Berichtspflichten als erhebliche Zusatzbelastung. Die EUDCA betont daher, dass einheitliche, europaweit abgestimmte Standards unverzichtbar sind, um Doppelstrukturen und bürokratische Hürden zu vermeiden.
Digitale Souveränität im geopolitischen Umfeld sichern
Die geopolitischen Entwicklungen verschärfen den Druck, Abhängigkeiten von außereuropäischen Anbietern zu verringern. Angesichts globaler Spannungen und wachsender sicherheitspolitischer Risiken gewinnt die Debatte um die digitale Eigenständigkeit Europas an Gewicht. Moderne, nachhaltige Rechenzentren gelten dabei als Fundament, um KI-Modelle, Cloud-Services und Hochleistungsrechner zuverlässig und datensouverän innerhalb Europas zu betreiben.
Fazit: Infrastruktur als Standortfaktor Nummer eins
Der Generalsekretär der EUDCA, Michael Winterson, betont: Ohne verlässliche, leistungsfähige und nachhaltig betriebene Rechenzentren bleibt Europa technologisch angreifbar. Der aktuelle Bericht liefert belastbare Daten, um Investoren, Betreiber und Politik fundierte Entscheidungen zu ermöglichen. Ob Cloud, KI oder Edge – die digitale Zukunft Europas entscheidet sich daran, ob Strom, Fläche, Netze und Fachkräfte zur rechten Zeit verfügbar sind.
Der vollständige Bericht der EUDCA steht online zum Download bereit.