Energieversorger in den USA fordern drastische Strompreiserhöhungen – KI-Rechenzentren im Fokus


Anstieg der Stromtarife um über 140 Prozent beantragt

Großes, leuchtendes Rechenzentrum inmitten eines Wohngebiets bei Sonnenuntergang, umgeben von Stromleitungen und Kühltürmen
Rechenzentren treiben den Stromverbrauch – und die Strompreise.

Wie die Financial Times (Paywall) berichtet, haben mehrere US-amerikanische Energieversorger bei den Regulierungsbehörden erhebliche Preiserhöhungen beantragt. Laut dem Bericht summieren sich diese Anträge im ersten Halbjahr 2025 auf insgesamt 29 Milliarden US-Dollar – ein Anstieg von 142 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum. Auslöser für diese Entwicklung ist der stark wachsende Strombedarf, der vor allem durch den Ausbau von Rechenzentren für Anwendungen im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) verursacht wird.

Nach Schätzungen von BloombergNEF (Paywall) wird sich der Stromverbrauch in den Vereinigten Staaten innerhalb der nächsten zehn Jahre mehr als verdoppeln. KI-Systeme gelten dabei als wesentlicher Treiber. Die daraus resultierende energiepolitische Frage lautet: Wer trägt die entstehenden Kosten – die Allgemeinheit oder die Großverbraucher?

Warum KI-Rechenzentren so viel Strom verbrauchen

Der enorme Energiebedarf von KI-Rechenzentren hat sowohl physikalische als auch strukturelle Ursachen. Anders als klassische Server-Infrastrukturen nutzen KI-Anwendungen in großem Umfang spezialisierte Hochleistungsprozessoren – insbesondere Grafikprozessoren (GPUs) – die für das parallele Verarbeiten großer Datenmengen optimiert sind. Diese Prozessoren sind äußerst stromintensiv. Zusätzlich laufen KI-Modelle oft in permanentem Betrieb, da sie kontinuierlich Daten verarbeiten, auswerten oder Trainingsvorgänge durchführen. Dies führt zu einem 24/7-Betrieb mit nahezu konstanter Grundlast.

Ein weiterer signifikanter Faktor ist die Kühltechnik. Um die entstehende Abwärme abzuleiten, setzen Betreiber häufig auf energieintensive Kühlsysteme wie Kaltwassersätze, Klimaschleifen oder Freikühlung, je nach Standort und klimatischen Bedingungen. Schätzungen zufolge entfällt ein erheblicher Anteil des Gesamtstromverbrauchs eines Rechenzentrums allein auf die Klimatisierung. Die Kombination aus leistungsfähiger Hardware, permanenter Auslastung und notwendiger Temperaturregelung macht KI-Rechenzentren zu besonders stromhungrigen Infrastrukturen – mit entsprechendem Einfluss auf regionale und nationale Stromnetze.

Wer zahlt für den Energiehunger der KI?

Im Zentrum der öffentlichen Debatte steht daher die kritische Frage: Müssen private Haushalte künftig für den enormen Stromverbrauch großer Technologiekonzerne mitbezahlen? In vielen Regionen ist dies bereits der Fall. Die von den Versorgern beantragten Tarifsteigerungen gelten häufig pauschal für alle Kundengruppen – unabhängig davon, ob sie direkt vom technologischen Fortschritt profitieren.

Verbraucherschutzorganisationen wie PowerLines warnen davor, dass Haushalte de facto die Infrastrukturinvestitionen mitfinanzieren, die für den Betrieb und Ausbau von Rechenzentren notwendig sind. Gleichzeitig profitieren insbesondere Unternehmen aus dem KI-Sektor von einer leistungsfähigen Stromversorgung, ohne bislang systematisch stärker belastet zu werden.

Preissteigerungen durch Rechenzentren im Detail

Laut der Financial Times gehören zu den betroffenen Energieversorgern unter anderem:

  • National Grid (New York, Massachusetts): Genehmigte Erhöhung um 708 Mio. USD; bis zu 50 USD monatlich mehr pro Haushalt.
  • PG&E (Nord- und Zentralkalifornien): Beantragte Erhöhung um 3,1 Mrd. USD.
  • Oncor (Texas): Geplante Anhebung um 834 Mio. USD.
  • Northern Indiana Public Service Company: Genehmigte Erhöhung um 257 Mio. USD; rund 23 USD mehr pro Monat und Kunde.

Zur Begründung verweisen die Unternehmen auf Schäden durch Extremwetterereignisse, die eine Verstärkung der Strominfrastruktur notwendig machen, sowie auf den allgemeinen Bedarf an Modernisierung und Netzausbau. Besonders der erwartete Mehrbedarf durch KI-Rechenzentren wird hierbei als Hauptursache genannt.

Sondertarife für Großverbraucher und mangelnde Transparenz

Einige Versorger versuchen inzwischen, die Kostenlast gezielter auf große Energieverbraucher umzulegen. So beantragte beispielsweise AEP Ohio, Rechenzentren monatlich für 85 Prozent ihres prognostizierten Verbrauchs zur Kasse zu bitten – selbst wenn sie weniger Strom abnehmen. Zusätzlich soll bei einem Projektabbruch eine Ausstiegsgebühr erhoben werden.

Diese sogenannten „Large-Load Tariffs“ sollen die Belastung der Haushalte reduzieren. Doch nicht alle Vereinbarungen zwischen Versorgern und Rechenzentrumsbetreibern erfolgen transparent. Nach Einschätzung von Ari Peskoe, Direktor des Electricity Law Initiative an der Harvard Law School, mangelt es vielen solcher Abmachungen an öffentlicher Kontrolle. Die Verhandlungen fänden oftmals hinter verschlossenen Türen statt, wodurch die Regulierungsbehörden keine umfassende Prüfung vornehmen könnten.

In einigen Bundesstaaten wie Mississippi ist die Überprüfung solcher Verträge per Gesetz ausgeschlossen. In Kansas hingegen dürfen Behörden bevorzugte Verträge mit Rechenzentren genehmigen, wenn dadurch lokale Wirtschaftsentwicklung erwartet wird.

Investitionen in erneuerbare Energie als Alternative

Ein alternativer Ansatz sind sogenannte „Clean Energy Transition Tariffs“, bei denen Rechenzentren vertraglich an den Bezug von erneuerbarer Energie gebunden werden. Die dabei generierten Einnahmen sollen in neue Projekte zur nachhaltigen Energiegewinnung fließen. Ein Beispiel ist der im Mai genehmigte Vertrag zwischen Google und dem Geothermieanbieter Fervo Energy in Nevada.

Rich Powell von der Clean Energy Buyers Association betont, dass solche Modelle Haushaltskunden vor steigenden Strompreisen schützen könnten. Dennoch sei eine gewisse solidarische Kostenbeteiligung durch alle Verbraucher unvermeidbar.

Politischer Handlungsbedarf und offene Verteilungsfragen

Die Entwicklungen werfen grundsätzliche Fragen zur Energie- und Verteilungspolitik auf: Wie lässt sich sicherstellen, dass die Stromkosten gerecht verteilt werden, wenn einzelne Rechenzentren so viel Energie verbrauchen wie mittelgroße Städte? Und: Wie kann verhindert werden, dass private Haushalte letztlich die Hauptlast für den technologischen Fortschritt tragen, den vor allem global agierende Konzerne vorantreiben?

Wie die Financial Times darlegt, ist die Regulierungslage in den USA bislang uneinheitlich. Während manche Bundesstaaten gezielt die Ansiedlung von Rechenzentren fördern, fehlt es vielerorts an klaren Regelungen zur gerechten Lastenverteilung. Ohne umfassende politische Leitlinien besteht die Gefahr, dass die finanzielle Belastung weiter ungleich verteilt bleibt.