Einleitung
Die zunehmende Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft erfordert eine stetig wachsende Zahl an Rechenzentren (RZ), die Informationen und IT-Dienste rund um die Uhr verfügbar halten. Die Sicherheit und Verfügbarkeit von Rechenzentren sind daher zentrale Aspekte in der Standortwahl. Ein falsch gewählter Standort kann im Ernstfall zu massiven Ausfällen oder Verlusten führen, was gravierende Folgen für Unternehmen und Institutionen nach sich ziehen kann. Ein Papier des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) beleuchtet die entscheidenden Kriterien bei der Standortwahl von hoch- und höchstverfügbaren Rechenzentren (VK3 und VK4) und bietet umfassende Empfehlungen zur Risikominimierung die Planer vor dem Bau berücksichtigen sollten.
Anforderungen an die Standortwahl von Rechenzentren
1. Abstand zu Orten besonderer Gefährdung
Rechenzentren müssen in ausreichendem Abstand zu potenziellen Gefahrenquellen angesiedelt werden, um Risiken wie Explosionen, Brände oder Schadstoffaustritte zu minimieren. Hierzu definiert das BSI konkrete Mindestabstände:
- Kerntechnische Anlagen:
- 40 km zu Anlagen, bei denen Ereignisse der INES-Stufe 5 oder höher möglich sind.
- 5 km zu Anlagen, deren Ereignisse maximal der INES-Stufe 4 entsprechen.
- Chemische Produktion: Ein Mindestabstand von 10 km zu großindustriellen chemischen Produktionsstätten oder Raffinerien ist erforderlich.
- Gefährliche Stoffe: Hier wird unterschieden:
- 5 km zu Herstellungs- oder Lagerstätten von Munition, Sprengstoffen, große Tanklager oder große Chemikalienmengen.
- 1 km zu kleineren Lagereinrichtungen wie Tankstellen oder Propangas-Händlern.
- Straßen und Schienen: Ein Mindestabstand von 1.000 m ist zu Gefahrguttransport-Trassen (Straßen und Bahnen) einzuhalten.
- Flughäfen: RZ-Standorte müssen sich außerhalb von An- und Abflugschneisen befinden, in denen Flughöhen unter 1.500 m über Grund zugelassen sind. Seitliche Schutzstreifen von jeweils 1.000 m sind zu beachten.
- Zuwegung: Es müssen mindestens zwei voneinander unabhängige Verkehrswege zur Erschließung eines RZ vorhanden sein, um die Zugänglichkeit auch im Notfall sicherzustellen.
- Lauschabwehr: Bei staatlich geschützten Daten oder Informationen sind Maßnahmen zur Lauschabwehr, wie der Abstrahlschutz nach BSI-TL 03304, zu implementieren.
2. Berücksichtigung von Naturgewalten
Rechenzentren sind zudem möglichen Naturgefahren ausgesetzt. Um die Risiken durch Naturkatastrophen zu minimieren, sind spezifische Vorkehrungen erforderlich:
- Hochwasser:
- Das RZ muss mindestens 2 m oberhalb des höchsten Hochwassers seit 1960 (HHW1960) liegen.
- In küstennahen Gebieten ist ein Mindestabstand zur Deichkronenhöhe einzuhalten: 2 m an der Nordsee und 1 m an der Ostsee.
- Starkregen: Alle betrieblichen Einrichtungen müssen bei einer potenziellen Überflutung der Rückstauebene um bis zu 1 m weiterhin funktionsfähig sein.
- Waldbrandgefahr:
- Ein Schutzstreifen von 10 m Breite ist um das RZ anzulegen. In Gebieten mit hoher Waldbrandgefahrenklasse A muss der Streifen auf 20 m erweitert werden.
- Alternativ kann eine Fassaden-Sprinkleranlage installiert werden.
- Erdbeben:
- RZ in Erdbebenzonen 1 und 2 müssen baulich so ertüchtigt sein, dass sie Erdstöße der jeweils nächst höheren Zone ohne Funktionsverlust überstehen.
- In der Erdbebenzone 3 ist die Ansiedlung von höchstverfügbaren RZ unzulässig.
- Bergbau und Abbaugebiete:
- Die Ansiedlung über aktiven oder stillgelegten Untertage-Bergbau-Anlagen ist untersagt.
- Bei offenen Gruben ist der Mindestabstand zur Grubenkante das Doppelte der maximalen Grubentiefe.
- Wind: Gebäude und Außenanlagen müssen Windböen von mindestens 120 km/h standhalten. In Regionen mit höheren Messwerten seit 1990 sind diese zugrunde zu legen.
Redundanzkonzepte für Rechenzentren
3. Betriebsredundanz
Betriebsredundanz beschreibt die Fähigkeit von RZ, einander bei Ausfall oder Störung zu ersetzen. Die räumliche Trennung ist hier entscheidend, um lokale Störungen abzufangen. Ein Mindestabstand von 5 km ist notwendig, um Bereichssperrungen durch Ereignisse wie Brände, Unfälle oder Bombenfunde zu vermeiden. Für umfassendere Redundanz wird ein Abstand von 10 bis 15 km empfohlen.
4. Georedundanz
Bei der Georedundanz geht es um die räumliche Trennung von Rechenzentren, sodass auch großflächige Ereignisse wie Naturkatastrophen keine gleichzeitige Beeinträchtigung bewirken. Ein Mindestabstand von 200 km ist erforderlich. Dabei muss jedoch die technische Herausforderung der Datenlatenz bedacht werden, da große Entfernungen den Datentransfer verlangsamen können. Dies stellt oft einen Kompromiss zwischen maximalem Schutz durch Abstand und der Synchronität der Daten dar. ist erforderlich. In besonderen Fällen kann ein Abstand von 100 km zugelassen werden, sofern dies durch eine Risikoanalyse begründet wird.
Ergänzende Anforderungen:
- Höchstens ein RZ darf in einem Flusssystem oder in einer Windzone 4 liegen.
- Georedundante RZ dürfen nicht im selben Energieversorgungsnetzsegment betrieben werden.
Energieversorgung und Personal
Die Energieversorgung eines Rechenzentrums muss besonders gesichert sein. Georedundante RZ müssen unabhängig voneinander Energie beziehen, um die Auswirkungen eines Netzausfalls zu minimieren. Eine autarke Notstromversorgung von mindestens 120 Stunden ist sicherzustellen. Dabei sollte neben den gängigen Optionen, wie z. B. dieselbetriebene Netzersatzanlagen, auch der Einsatz alternativer Energiequellen wie Solaranlagen oder Windkraft sowie nachhaltige Notstromoptionen, beispielsweise durch Wasserstoffgeneratoren oder umweltfreundliche Batteriespeicher, in Betracht gezogen werden, um Umweltaspekte zu berücksichtigen.
Auch die Personalplanung spielt eine Rolle. Insbesondere bei Pandemien oder ähnlichen Szenarien muss bedacht werden, dass ausreichend qualifiziertes Personal vor Ort oder aus anderen Standorten zur Verfügung steht.
Fazit
Die Auswahl eines geeigneten Standorts für hoch- und höchstverfügbare Rechenzentren erfordert eine umfassende Risikoanalyse, die alle potenziellen Bedrohungen berücksichtigt. Das BSI-Papier bietet klare Richtlinien zur Standortwahl, die sowohl technische als auch natürliche Gefahren adressieren. Durch die Implementierung von Betriebs- und Georedundanz sowie die Einhaltung von Mindestabständen zu Gefahrenquellen wird die Verfügbarkeit der Rechenzentren nachhaltig gesichert und die IT-Infrastruktur vor großflächigen Ausfällen geschützt. Gleichzeitig sind die wirtschaftlichen Auswirkungen von Ausfällen nicht zu unterschätzen, da sie hohe Kosten durch Betriebsunterbrechungen, Datenverluste und Reputationsschäden verursachen können. Eine sorgfältige Standortwahl trägt somit nicht nur zur technischen Sicherheit bei, sondern ist auch ein wesentlicher Faktor zur Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität von Unternehmen und Institutionen.
Welche Kriterien sind bei der Standortwahl für Rechenzentren besonders wichtig?
Bei der Standortwahl für Rechenzentren müssen Abstände zu Gefahrenquellen wie kerntechnischen Anlagen, chemischen Produktionsstätten, Straßen mit Gefahrguttransporten oder Flughäfen eingehalten werden. Auch Naturgewalten wie Hochwasser, Erdbeben, Wind und Waldbrandgefahr sind zu berücksichtigen.
Warum ist ein Mindestabstand zu kerntechnischen Anlagen erforderlich?
Ein Mindestabstand zu kerntechnischen Anlagen verhindert Risiken, die durch nukleare Ereignisse entstehen könnten. Für Anlagen, die INES-Stufe 5 oder höher erreichen könnten, ist ein Abstand von 40 km notwendig.
Welche Naturgefahren spielen bei der Standortwahl eine Rolle?
Rechenzentren müssen vor Naturgefahren wie Hochwasser, Starkregen, Waldbrand, Erdbeben und starken Winden geschützt sein. Hierzu gelten Mindesthöhen und bauliche Anforderungen, um einen störungsfreien Betrieb zu gewährleisten.
Was ist der Unterschied zwischen Betriebsredundanz und Georedundanz?
Betriebsredundanz beschreibt Rechenzentren, die sich gegenseitig im Nahbereich (5-15 km) ersetzen können, während Georedundanz Rechenzentren bezeichnet, die mindestens 200 km voneinander entfernt liegen, um auch großflächige Ausfälle zu verhindern.
Wie wird die Energieversorgung für Rechenzentren gesichert?
Die Energieversorgung muss durch unabhängige Zuleitungen und eine autarke Notstromversorgung von mindestens 120 Stunden sichergestellt werden. Nachhaltige Lösungen wie Solarenergie, Windkraft oder Wasserstoffgeneratoren können zusätzliche Vorteile bieten.
Warum ist die Berücksichtigung von Hochwasser wichtig?
Rechenzentren müssen mindestens 2 m über dem höchsten bekannten Hochwasserstand seit 1960 (HHW1960) liegen, um das Risiko von Überflutungen und Betriebsunterbrechungen zu vermeiden.
Welche wirtschaftlichen Auswirkungen haben Ausfälle von Rechenzentren?
Ausfälle von Rechenzentren können zu hohen Kosten durch Betriebsunterbrechungen, Datenverlusten und Reputationsschäden führen. Eine sorgfältige Standortwahl trägt dazu bei, wirtschaftliche Stabilität und IT-Sicherheit zu gewährleisten.
Welche Rolle spielt Personal bei der Standortplanung von Rechenzentren?
Für den sicheren Betrieb von Rechenzentren ist qualifiziertes Personal vor Ort erforderlich. Bei georedundanten Rechenzentren muss zudem sichergestellt werden, dass Personal auch bei Notfällen oder Pandemien verfügbar bleibt.