Mehrheit der Bevölkerung fordert strengere Regeln für Energie- und Wasserverbrauch von Rechenzentren
Repräsentative Umfrage zeigt wachsendes Bewusstsein für ökologische Belastungen durch Datenzentren
Eine aktuelle europaweite Befragung im Auftrag der Klimaschutzallianz Beyond Fossil Fuels zeigt, dass sich die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger über den wachsenden Energie- und Wasserverbrauch von Rechenzentren besorgt zeigt. Die Erhebung wurde im September 2025 von Savanta in fünf europäischen Ländern durchgeführt – darunter Deutschland, Irland, Spanien, die Schweiz und das Vereinigte Königreich – und von AlgorithmWatch in Deutschland begleitet.
Nach Angaben von Beyond Fossil Fuels sehen viele Menschen „ungezügeltes Wachstum von Rechenzentren als Gefahr für Europas Energie- und Wassersicherheit“ und fordern eine stärkere Regulierung großer Technologiekonzerne.

Deutsche Bevölkerung befürchtet Belastung der Wasserversorgung
Laut dem Ergebnisbericht für Deutschland äußerten 57 Prozent der Befragten die Sorge, dass der Wasserverbrauch neuer Rechenzentren ihre eigene Wasserversorgung beeinträchtigen könnte, 63 Prozent befürchteten negative Auswirkungen auf lokale Ökosysteme.
In Spanien lagen die Werte noch höher: 87 Prozent der Befragten äußerten dort Besorgnis über die Wassernutzung und ihre Folgen.
Die spanische Aktivistin Aurora Gómez Delgado, Koordinatorin der Initiative Tu Nube Seca Mi Río, sagte dazu:
„Wasser ist lebensnotwendig – Katzenvideos sind es nicht. Spanien leidet unter Dürren und Überschwemmungen, und die Menschen haben allen Grund, sich über den Wasserverbrauch von Rechenzentren Sorgen zu machen.“
Sie sprach von einem „digitalen Kolonialismus“, bei dem Konzerne „unsere Daten stehlen und gleichzeitig die Auswirkungen auf unsere Körper und unser Land verschleiern“.
Energiebedarf und Stromverbrauch im Fokus
In Deutschland gehen 43 Prozent der Befragten davon aus, dass Rechenzentren künftig einen erheblichen Anteil am nationalen Stromverbrauch haben werden, 32 Prozent glauben, dass dies bereits heute der Fall ist.
Nach Angaben der Bundesregierung liegt der aktuelle Stromverbrauch deutscher Rechenzentren bei 20 bis 26 Terawattstunden (TWh) pro Jahr – etwa vier Prozent des deutschen Stromverbrauchs.
Die Bundesnetzagentur prognostiziert bis 2037 einen Anstieg auf 78 bis 116 TWh, was rund zehn Prozent des nationalen Stromverbrauchs entsprechen würde.
Dr. Julian Bothe, Senior Policy Manager für KI und Klimaschutz bei AlgorithmWatch, warnte:
„Die Öffentlichkeit erkennt deutlich die Gefahren des ungeregelten Ausbaus von Rechenzentren, der vor allem durch den Boom der Künstlichen Intelligenz vorangetrieben wird. Der zusätzliche Strombedarf gefährdet den Klimaschutz und verlängert die Abhängigkeit von fossilen Energien. Er treibt außerdem die Strompreise nach oben – auf Kosten der Bevölkerung und anderer Unternehmen. Big Tech macht Milliarden – Ben und Berta zahlen die Rechnung. Neue Rechenzentren darf es nur geben, wenn zusätzliche erneuerbare Energiequellen geschaffen werden. Andernfalls wird der KI-Boom die Klimaziele unerreichbar machen.“
Forderung nach Nutzung erneuerbarer Energien
Die Mehrheit der Befragten fordert klare Regeln:
69 Prozent sind der Ansicht, dass neue Rechenzentren nur errichtet werden dürfen, wenn sie mit erneuerbarer Energie betrieben werden, und 66 Prozent wollen, dass dafür eigens neue Kapazitäten an erneuerbarer Energie geschaffen werden. Nur 20 Prozent halten Rechenzentren, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, für vertretbar.
Auf europäischer Ebene teilen 76 Prozent der Befragten diese Haltung, während 64 Prozent sich ausdrücklich gegen den Bau fossiler Rechenzentren aussprechen.
Jill McArdle, internationale Kampagnenleiterin bei Beyond Fossil Fuels, sagte dazu:
„Das ist ein Weckruf für die Politik in Europa, die um jeden Preis neue Rechenzentren fördern will. Statt diesen unkontrollierten Ausbau zu feiern, schlagen die Menschen Alarm: Ungeregelte Rechenzentren gefährden die Energiewende, belasten Wasserressourcen und lassen die Stromkosten explodieren.“
„Die Botschaft an Europas Führung ist eindeutig: Neue Rechenzentren dürfen nicht mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Die Menschen wollen sie entweder mit erneuerbarer Energie versorgt sehen – oder gar nicht. Und sie wollen, dass Rechenzentren nicht bevorzugt vor Haushalten, öffentlichen Diensten oder der Industrie mit Energie beliefert werden.“
Transparenz und Regulierung
Eine große Mehrheit der Befragten wünscht sich mehr Transparenz seitens der Betreiber:
77 Prozent fordern Angaben zum Energieverbrauch, 76 Prozent zu den Energiequellen und 81 Prozent zu Umweltverträglichkeitsprüfungen.
Auch 85 Prozent der europaweit Befragten wollen, dass Rechenzentren ihre Umweltauswirkungen offenlegen, während 83 Prozent Transparenz über Energieverbrauch und -herkunft verlangen.
Chris Adams, Direktor der Green Web Foundation, kritisierte den derzeitigen Umgang mit der Branche:
„Wenn wir alle Rechenzentren gleichermaßen als kritische Infrastruktur behandeln, sagen wir im Grunde, dass das Ausspielen von Werbung so wichtig sei wie die Stromversorgung eines Krankenhauses. Das ist offensichtlich absurd – und die Umfrage zeigt, dass die Öffentlichkeit das genauso sieht.“
Finanzierung des Stromnetzes: Betreiber sollen stärker beitragen
Vier von fünf Befragten (80 Prozent) in Deutschland finden, dass Rechenzentren stärker zu den Kosten des Netzausbaus beitragen sollten als Haushalte und kleine Unternehmen.
Ähnliche Werte ergeben sich europaweit: 83 Prozent befürworten eine finanzielle Beteiligung der Betreiber am Stromnetz, davon 64 Prozent über Steuern oder höhere Tarife.
Rosi Leonard von Friends of the Earth Ireland sagte:
„Die Menschen wollen, dass Wohnungsbau und öffentliche Dienste beim Zugang zu sauberer Energie Vorrang haben. Und sie erkennen, dass jene Konzerne, die das Stromnetz am stärksten belasten, auch mehr Verantwortung für seine Stabilisierung übernehmen müssen.“
Politische Steuerung und Priorisierung
73 Prozent der europäischen Befragten wünschen sich klare staatliche Kriterien, wie Energie zwischen verschiedenen Sektoren verteilt wird.
Im Falle von Engpässen ordnen die meisten Befragten Rechenzentren auf der Prioritätenliste weit unten ein: Nur vier Prozent sehen sie als erste Priorität bei Energieknappheit, lediglich drei Prozent bei Wassermangel.
Einschätzung von AlgorithmWatch
Auch Dr. Julian Bothe von AlgorithmWatch Deutschland betonte in einer separaten Stellungnahme:
„Die Umfrage zeigt, dass sich die Mehrzahl der Menschen Gedanken über den Strom- und Wasserverbrauch von Rechenzentren und KI-Anwendungen macht. Die Sorgen sind mehr als berechtigt, wenn man auf die Zahlen blickt. Schon jetzt benötigen deutsche Rechenzentren mehr als vier Prozent des deutschen Stromverbrauchs – und laut Schätzungen der Bundesnetzagentur bis zu zehn Prozent im Jahr 2037.“
„Unsere Gesellschaft täte gut daran, den Bau von Rechenzentren planvoll, nachhaltig und transparent zu gestalten, statt einfach nur so viele KI-Fabriken wie möglich in die Landschaft zu stellen. Neue Rechenzentren benötigen zwingend zusätzliche erneuerbare Energie – sonst wird der KI-Hype unweigerlich zum Klimakiller.“
Fazit
Die Befragung zeigt ein deutliches Meinungsbild:
Die europäische Bevölkerung fordert klare Regeln für Bau und Betrieb von Rechenzentren, darunter:
- Nutzung ausschließlich erneuerbarer Energien,
- Transparenzpflichten über Energieverbrauch, Quellen und Umweltwirkungen,
- finanzielle Beteiligung der Betreiber an Infrastruktur und Energienetzen,
- sowie eine gesellschaftliche Priorisierung bei Energie- und Wasserverteilung.
Die Umfrage macht deutlich, dass Bürgerinnen und Bürger den ungebremsten Ausbau der Rechenzentrumsbranche zunehmend kritisch sehen – und von der Politik erwarten, den digitalen Fortschritt an ökologische Grenzen zu binden.





